Hass im Theater: Wider die Natur

Wer heute, am Sonntag Abend, in Berlin ist und weder Bock auf Afterhour noch auf Tatort hat, könnte zum Beispiel ins Maxim Gorki Theater gehen und sich dort das Stück “Wider die Natur! oder Die Desintegrationsmaschine” von Juri Sternburg anschauen:

Der Wissenschaftler Vidar Arsen ist äußerst fett. Er frisst und frisst und frisst die Welt in sich hinein. Denn Essen ist bei ihm Staatsräson. In einem Restaurant mit zwielichtigen Gestalten wie dem Staatsanwalt, dem die Artikulation schwer fällt (kein Wunder, ist er doch mit einem goldenen Löffel im Mund geboren), der undurchsichtigen Rigani Waukeen, die fremd ist und dennoch stadtbekannt, und dem Kellner, der wie ein Satellit um die drei kreist, um Nachschub zu liefern, zieht man sich gegenseitig an oder stößt sich ab, wie elektrische Teilchen. Oben in der Wohnung wartet der kleinwüchsige Butler Göring mit der Desintegrationsmaschine und einem Plan, die Weltgeschichte auf Null zu setzen, um einen Neuanfang starten zu können, fernab von allen Ideologien. Lets get ready to rumble!

Dass ein Text vom gleichen Autor, mit dem gleichen Titel und einer ganz ähnlichen Handlung auch in der HATE#9 erschienen ist, trägt zur Redaktions-internen Begeisterung bei, ist natürlich aber bei weitem nicht der einzige Grund.

Alle Infos gibt’s hier.

Künstliche Paradiese

Wer HATE liest, weiß, dass Natur natürlich nicht ist. Natur ist ein Anderes. Mal ein Zertifikat auf der Milch, mal ein Phantasma von gestressten Großstädtern. Seit den 1980er Jahren gibt es eine Forschungsrichtung, die selbst die so genannten Naturwissenschaften mit ihren hard facts auf eine weiche, das heißt auf eine genauso soziale “Fabrikation der Erkenntis” (Karin Knorr-Cetina) zurückführt. Und wenn Bruno Latour das vom Kopf auf die Füße – oder andersherum – stellt wenn er schreibt  ”technology is society made durable”, dann sollte klar sein, dass Natur technisch, sozial, kulturell, und Wasauchimmer ist – aber ganz bestimmt nicht natürlich. Nun gibt es einen Film, der in dieser Tradition steht, und die Gemachtheit der Natur ausstellt und unbedingt anzuschauen ist. Er trägt den unschuldigen Titel “Alpi” und ging aus einem Forschungsprojekt hervor, das Armin Linke initierte. Im Film geht es um die gegenwärtige Wahrnehmung der Alpen, um deren augenscheinliche Natürlichkeit und ihrer Konservierung ein gigantischer industriell-wissenschaftlicher Komplex sich bemüht. Er handelt von den sozialen, ökonomischen und politischen Verstrickungen, in denen die Alpen stecken und davon, warum die Alpen bis nach Dubai reichen. Bruno Latour schreibt über “Alpi”:

Going to the Alps? Thinking of trekking outdoors? Dreaming of skiing in Switzerland? Watch Armin Linke’s film first. Beware. You will always be inside, deep inside laboratories, factories, ski resorts, or Swiss bunkers hidden in the mountains. Nature? Who speaks of nature and wilderness? … Yes, for sure, you will see the Alps but as they have been reconstructed inside a shopping mall in Dubai – a theme park for skiers who have just dismounted from their camels – as a painting inside an art gallery, or as a ‘virtual tour’ inside the train that leads Japanese tourists to the Jungfraujoch – and when they alight eventually on the platform they see nothing but deep fog! Never outside, that’s the whole point … 

The radical move so beautifully displayed in this work of art: capture the absorption of the outside by the inside so that the envelopes may be made visible from within. As if we could see through them. But humans are no more able to live ‘outside’ than cosmonauts out of their space station. What they do is more interesting: they rehearse what they would do outside if ever they manage to reach it. One day. Finally outdoors …

What is most extraordinary is that Alpi manages to show this introverted existence, those artificial sites, those highly technical and scientific encounters, those mines and bunkers and factories, those cultural Umwelt, without either conniving with them or criticizing them. This is the most uncritical film ever made about the utter artificiality of the modern world. But ‘uncritical’ has to be taken just as positively as ‘artificial’. Why? Because no critique could see further and higher and more globally than the poor souls trapped inside their bunkers.

“Alpi” läuft z.B. am 17. Juni, 20 Uhr, im Berliner Arsenal Kino.

 

HATE#9 ist da!

Wir wollen nicht viele Worte verlieren: Ab heute liegt das Heft in Berlin aus, ihr habt allerdings auch die Möglichkeit das Heft zu oder virtuell durchzublättern.

Hey, weißt du was?!

HATE #9 IST AUF DEM WEG IN DIE DRUCKEREI !!

HATE#9 am 30. März im Naherholung Sternchen

Ein Jahr nach der letzten Ausgabe erscheint am 30. März HATE#9. Das feiern wir mit einer großen Druckkostenfinanzierungsparty im Naherholung Sternchen auf drei Floors mit einer illustren Runde an Freunden des Hauses. Außerdem wird ein Special Guest spielen, der ausnahmsweise mal wirklich exisitiert und kein Platzhalter für ein verpeilungsinduziertes zukünftiges Booking ist. Man kennt
das ja…

HATE#9
30. März
Naherholung Sternchen

Musik:
Britta Arnold
Johannes Klingebiel (live)
Philipp Boston
Rampue (live)
Ruede Hagelstein
Stanley Schmidt
Thilo Schneider
Swinka
Suz
Carsten Jost
Carlos de Brito
lassmalaura

Aktuelle HATE

Recent Comments

Follow this blog