Boycott Biennale!

Heute beginnt in Berlin das große Kunstspektakelwochenende; neben dem Gallery Weekend startet außerdem die 7. Berlin Biennale, eine der meistbeachtesten Veranstaltungen für moderne Kunst in Deutschland. Einige haben sicherlich schon die Plakate mit dem runenartigen Logo in Berlin und anderswo hängen sehen.

Kuratiert wird sie in diesem Jahr von Artur Zmijewski, über den der Spiegel schreibt, er sei ein Künstler, der sich als Anti-Künstler verstehe, sein Instrument sei der “Tabubruch, die bewußte Geschmacklosigkeit” und dass am Ende der Biennale in Berlin “ein großes, trotziges Zmijewski-Kunstwerk entstanden sein” wird. Er mache eben “Kunst, die endgültig keine sein will, sondern echter Aktivismus.”

Im Vorfeld der Biennale trat er mit seinem Video “Berek” (“Hasch mich”) in Erscheinung, bei dem eine Gruppe Nackter in der Gaskammer tanzt. Letzte Woche hat er in Berlin-Neukölln Birken aus dem ehemaligen KZ Birkenau pflanzen lassen und Martin Zet, einer der von ihm angeheuerten Künstler rief dazu auf 60.000 Exemplare von Thilo Sarazzins “Deutschland schafft sich ab” zu Verbrennungzwecken zu sammeln.

Dass aber Reflex nicht zwangsläufig mit Reflektion einhergeht und auch nicht alles Kunst ist, was von Künstlern produziert wird, hat die Gruppe Rosa Perutz in der aktuellen Ausgabe der Jungle World noch einmal auf den Punkt gebracht.

Hier sind Auszüge des lesenswerten Texts:

“Die von der Biennale proklamierte »Anwendbarkeit« der Kunst ist ein Aufruf zur real action, welche die hemmenden Diskurse der Kritik und die Zensur durch den Kunstmarkt überwinden soll. Die zum Programm erhobene Verschmelzung von Kunst und Politik löst die Kunst von ihrem konkreten gesellschaftlichen Zusammenhang und setzt sie stattdessen in einem dezisionistischen Akt als Symbol bedingungsloser Radikalität. Diese Radikalität bedarf zu ihrer Selbstdarstellung der von ihr selbst angeprangerten Autoritäten, der Zensur und der Tabus, die ständig behauptet werden müssen, um sich gegen sie auflehnen zu können.

Žmijewski hat es in seiner künstlerischen Arbeit vorgemacht: Koketterien mit dem Tabubruch wie sein geschmackloser Umgang mit der Shoa sind ein probates Mittel solcher Selbst­inszenierung, jede Kritik daran kann als Zensur durch die Mächtigen, die Medien, die Direktoren sogleich angeprangert werden. Politik wird dadurch als ein existentieller Kampf gegen und um die Macht inszeniert, in dem für Widersprüche und Ambivalenzen kein Platz ist. Žmijewski bedient mit seiner bombastischen politischen Symbolik zunächst einfach nur den kuratorischen Allgemeinplatz jeder beliebigen Biennale der Gegenwartskunst: Er schafft eine temporäre Kunstausstellung mit spektakulärem Eventcharakter und stellt die nach Berlin importierte, vermeintlich dissidente, in diesem Fall in erster Linie osteuropäische Kunstszene in einen politisch aufsehenerregenden Zusammenhang. Read the rest of this entry »

Im Zentrum des rasenden Stillstands

Die deutsche Kulturförderung ist nützlich und schlimm. Keine Frage. Darüber braucht man nicht zu streiten. Worüber aber derzeit gestritten wird, ist die Frage, ob man sie braucht oder nicht. Ebendiese Frage versuchten im Spiegel vier “Experten” zu beantworten. Dort wird viel von Umbau geredet (richtig), aber irgendwie auch zu sehr so getan, als wäre die Kultur ein Angebot-Nachfrage-System, das sich ganz gut selber regeln könnte (falsch). Wie auch immer: Heute schaltet sich der großartige Regisseur Christoph Hochhäusler ein, der zwar ebenfalls ein Profiteur dieses Systems, aber eben auch ein eigenständiger Denker ist, der nicht nur nach Mehr oder Weniger schreit.

In der “Berliner Zeitung” gibt er einerseits folgendes zu bedenken:

Zunächst, als Skizze, der Status quo: Wir haben in Deutschland eine gebührenfinanzierte und milliardenschwere Fernsehbürokratie, die im Zusammenspiel mit hoffnungslos abhängigen Kleinunternehmern Kinofilme produziert. Dazu haben wir eine Filmförderung, die von eben jener Fernsehbürokratie kontrolliert wird, so dass Filme, die man einmal senden möchte, zweimal öffentliches Geld bekommen, aber deshalb noch lange keinen guten TV-Sendeplatz – und ins Kino geht ihretwegen auch niemand. Mit am Tisch sitzt das Privatfernsehen, es stinkt so billig und gibt doch den Ton an, weil „das wollen die Leute sehen“. In der Folge kommt es zu grotesken Verrenkungen der öffentlichen Anstalten.

aber eben auch dieses:

Warum also Filmförderung? Das ist eine heikle Frage. Ich versuche eine Antwort: Förderung, weil sich der Film, den wir brauchen, am Markt nicht rechnet und weil er deswegen womöglich gar nicht erst entstehen würde. Der Boden der Filmförderung ist spekulative Kapitalismus-Kritik, ja. Denn auch wenn manchmal so getan wird: Niemand glaubt, dass die öffentliche Hand eine Filmindustrie hervorbringen wird, die eines Tages selbst laufen lernt und Hollywood Paroli bietet. Read the rest of this entry »

Wo Tod und Leben sich treffen

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Während der Begriff des “Überlebens” mittlerweile ausschließlich von ökologistischen Nachhaltigkeitsfanatikern benutzt wird, um neue Technologien im Namen des grünen Kapitalismus zu legitimieren, lotet die aktuelle testcard unter dem Titel “Überleben – Pop und Antipop in Zeiten des Weniger” wie man so gern sagt, Tiefen und Untiefen des Begriffs aus. Eine Passage aus einem Gespräch über “Wohlstand, Sicherheit, Endzeitstimmung und der Begriff des Überlebens”: Read the rest of this entry »

Lesen lernen


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In Zeiten, in denen jeder Hanswurst mailt, bloggt, twittert, postet, also weit und breit nur noch geschrieben wird, ist Lesen die einzig gebliebene emanzipative Form der Intervention. Das weiß auch
“Der Leser”, das wohl letzte revolutionäre Subjekt dieser Erde. Er liest alles, was herumliegt, so genau, dass es einem wirklich Leid tut wenn er sich selbstlos zum Beispiel dem Printauswuchs des Internetschuhhändlers Zalando widmet oder sich durch das Telekomkäseblättchen Electronic Beats quält. Lest den Leser, der “zweimal in der Woche … eine Publikation stets anhand derselben Parameter untersucht und natürlich auch unfair bewertet” !

Don’t Call Yourself A Girl!

hat vor etwa einem Monat in New York einen Vortrag für Ignite über Frauen, Technik und Internet gehalten. Das ist ihr spannend, klug und unterhaltsam gelungen, auch wenn sie manchmal etwas schief zuspitzt. Unter anderem geht es darum, warum die Girl/Mädchen-Selbstbezeichnung gegen Woman/Frau ausgetauscht werden sollte. Aber auch darüber hinaus vertritt sie einige Ansätze, die diskussionswürdig sind.

Hier ist ihr Vortrag How to Get More Women in Tech in Under a Minute:

Brennende Häuser statt blühender Landschaften

Was bleibt außer den Archiv-Bildern aus den Pogromnächten 1991 im wiedervereinigten Deutschland, auf denen  jubelnde Menschenmassen vor brennenden Häusern, untätig zuschauenden Polizisten und Würstchenbuden zu sehen sind? Nicht viel, denn auch in den sog. ‘Wende-Romanen’, die seither erschienen sind, erhalten weder die Opfer eine Stimme noch spielen Neonazis oder Skinheads eine Rolle. Das ändert sich jetzt:

Zwanzig Jahre danach füllt ‘Kaltland’ diese Leerstelle mit Erzählungen, autobiografischen Geschichten und Originaltönen prominenter Autoren und Künstlern.

Unbedingt empfehlenswert ist also die Buchvorstellung mit den HerausgeberInnen Markus Liske und Manja Präkels.

Samstag, 29. Oktober 2011, 17 Uhr, KVU

Für Immer Punk?


Vera Vogts Dokumentarfilm So Jung Kommen Wir Nicht Mehr Zusammen ist komplett bei Youtube online:

Alle weiteren Teile finden sich .

Infos:
Höchste Zeit also für die 29-jährige Dokumentarfilmerin Vera Vogt, sich mit ihrem Werk “So jung kommen wir nicht mehr zusammen” an die eigene Punk-Zeit zu erinnern, die sie gemeinsam mit Freunden zwischen dem “Störtebeker” in der damals schwer umkämpften Hamburger Hafenstraße und dem Konzertkeller der noch heute nicht minder umstrittenen “Roten Flora” verbrachte. An eine Zeit, in der alles scheinbar ganz anders war. Provokanter, authentischer, politischer – oder einfach: schneller, lauter, härter.

Doch bevor Vera Vogt sich den Lebensverläufen ihrer jugendbewegten und inzwischen mehr oder weniger erwachsenen Protagonisten annähert, berichtet die Blankeneser Bürgertochter aus dem Off, wie sie selbst zu ihrem “Iro” und der dazugehörigen Lebenseinstellung kam: “Ich wollte mein Arschloch-Umfeld gegen Freunde eintauschen, die mich verstehen. Es sollten die sein, die was los haben, die, die man sieht und die, die Musik hören, von der das Herz schneller schlägt.” Was ihr zwischen 1988 und 1992 mit der Clique um “Brauer-Claus” Beeken, Detlev Uecker, Jan “Fighter” Müller und “Buffo”, den alle nur als “Buffo” kennen, auch gelang.

Zehn Jahre später jedoch ist von dem einstigen Zusammenhalt nur noch wenig zu spüren, übereinander spricht man eher reserviert, und bisweilen könnte der Film – von der Band Tocotronic inspiriert – genauso gut “Ich mag dich einfach nicht mehr so” heißen. Denn während die einen als ironische Rockstars die Charts aufmischen oder komplett unironisch den amerikanischen Traum leben, brauen die anderen Bier auf St. Pauli oder befinden sich im Generalstreik gegen die Arbeitsgesellschaft.” Read the rest of this entry »

Aufstand kommt von Aufstehen

aufstand

Kommenden Sonntag Abend diskutieren die Gruppen TIQQUN, Terminal 119 und die hiesige TOP B3rlin darüber, warum auf Staatskrise und Europleite einfach kein Aufstand folgen will.
Der Titel der Veranstaltung lautet L’Insurrection Et Moi. Los geht es ab 19h im Clash in der Gneisenaustraße 2a in Berlin. Read the rest of this entry »

Medinat Weimar – Die Bewegung zur Gründung eines jüdischen Staates in Thüringen

Wer Ronen Eidelmans Bewegung gerne beitreten möchte, kann das noch bis 19. Januar im Jüdischen Museum in Berlin erledigen. In der dort stattfindenden Heimatkunde-Ausstellung hat die Medinat Weimar-Bewegung ein Büro.

Berichte aus den Zeltstädten. Teil 1.

Seit dem 14. Juli wird in Israel protestiert. Zeltstädte wurden über ganz Tel Aviv verteilt errichtet, die größte befindet sich auf dem Rothschild Boulevard. Nach wochenlangen Protesten und der bisher zahlenmäßig stärksten Demonstration am vergangenen Wochenende, sind sie ganz aktuell, , von polizeilicher Räumung bedroht.

In den nächsten Tagen und Wochen lassen wir an dieser Stelle Freunde, Bekannte und Kollegen, die vor Ort sind, zu Wort kommen. Sie sollen selbst berichten wie sie “J14″ erleben und warum sie dafür (oder vielleicht sogar dagegen), was ihre Ängste, Hoffnungen und Überlegungen sind.

Den Auftakt übernimmt Yuval Ben-Ami. Er arbeitet als Journalist, Blogger und Poet in Tel Aviv. Seine ambivalenten, klugen Einschätzungen zu israelischer Politik und Gesellschaft kann man auf seinem Blog “Everywhere” lesen:

Von Yuval Ben-Ami, aus Tel Aviv:

In Sicily, they have a word for government corruption. That word is: “mafia”. Political crime over there isn’t necessarily distinguished from organized crime, not even in the public psyche. In Israeli society this distinction still exists, but less so. At the marches of this summer’s “tent protests”, a chant could be heard again and again emanating from the crowd: “Hon, shilton – olam takhton” – “Capital and government make criminal underworld”. Read the rest of this entry »

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