Text: PHILIPP GOLL
Der Hipster ist eine gebeutelte Gestalt. Alle hassen ihn, verkünden seinen Tod oder streichen seine Existenz gleich ganz durch. Dabei hat er es von sich aus schon nicht leicht. Permanent im Modus des Cool Hunting, streift er durchs Internet und stiefelt durch die Metropolen; Immerzu verstrickt in den Behauptungskampf im Namen der stiltechnischen Überlegenheit ist sein Status prekär, da sein Spezialwissen über die Strategien des Distinktionsgewinns, bezogen über Blogs und andere Infobörsen, praktisch für jeden zugänglich ist und immer schon ein alter Hut sobald publik gemacht. Und außer seinem exklusiven Wissen hat er eben nicht viel, der Hipster.
Deshalb ist es nur fair, dass endlich mal jemand die Lanze für ihn gebrochen hat. Aram Lintzel beschrieb den Hipster in der taz kürzlich als den „Obervirtuosen der Distinktion“, als geschickten Kulturtechniker der Adaption von Trends und Vollstrecker „ästhetischer Kleinstunterscheidungen“. Kurz: Als rebel consumer – die Mogelpackung der landläufigen “Kapitalismuskritik” schlechthin. Klar, das muss auch Lintzel zugeben, nerve der „staksige Wanderer mit Skinny Jeans“ aus Berlin Mitte. Und dennoch, etwas traurig stimme es ihn schon wenn der Hipster nun zum x-ten mal in dem Buch „What was the Hipster?“, ein Dokumentationsband über eine gleichnamige Tagung herausgegeben von dem US-amerikanischen Intellektuellenblatt N+1, aus der „Weltgeschichte geboxt werden soll“. Fies, das.
Dabei hat der Hipster doch auch Potential wie Aram Lintzel aus dem Tagungsband herauszulesen meint. Viel versprechend, schreibt er, sei etwa der von Mark Greif, einem der Herausgeber des Bandes erwähnte hipster-typische „Apriorismus“, nach dem der Hipster geschult an Immanuel Kant vor aller Erfahrung zur Erkenntnis gelange und somit dem „Terror des Authentischen“ der vorherrschenden Erlebnisökonomie paroli biete. Das will nun gar nicht einleuchten. Der Hipster ist doch der Terror des Authentischen.
In seiner etwa sechzigjährigen Biographie war der Hipster pausenlos auf der Suche nach Authentizität. Sei es in seiner frühsten Ausprägung in den 1950er Jahren, als er fasziniert vom exotischen spirit der schwarzen Subkultur seine Codes aneignete, um sich vom WASP-Universum zu distanzieren; Während seiner Wiedergeburt Ende der 1990er, als er die Erlösung von mainstream in der Rohheit und dem Machismos des amerikanischen White Trash suchte, oder in seiner jüngsten Metamorphose zum „primitiven Hipster“ (Mark Greif), gekleidet in Holzfällerhemd und den Sound von Bands mit tierisch merkwürdigen Namen wie Neon Indian oder Grizzly Bear im Ohr und unterwegs auf dem steinigen Weg zurück in die Natur auf der Suche nach ländlicher Ordnung und Übersicht.
Hipstertum war und ist die Suche nach Unschuldigkeit und per se regressiv. Dafür spricht auch der bevorzugte Wohnort des Hipsters. Die in den 1970ern von den Weißen gen Suburb verlassenen amerikanischen Innenstädte wurden in den 1990ern re-kolonisiert. „Der weiße Ur-Hipster“, rekapituliert Mark Greif, „war weniger eine bohemistische Subkultur als fast schon eine ethnische Zugehörigkeit. Er hatte ein enormes Standesbewusstsein, verweigerte ostentativ die lokale Integration und versuchte hartnäckig, etablierten Migrantengruppen wie den Chinesen, Puertoricanern oder orthodoxen Juden seine Minienklaven abzuringen“.
Über den Hipster zu schreiben ist gefährlich. Die Rede über den Hipster ist schließlich selbst ein Katalysator für Distinktion, dessen Instrumentalisierung Indikator für identitätspolitische Standpunkte ist. Kein Mensch will einer sein, doch zeigt auf den Anderen, der einer ist. Ähnlich wie im gentrifizierungskritischen Diskurs liegt die Schärfe hier in der Differenz und nicht in der Argumentation. Nun besteht die Lintzelsche Volte darin, das kulturtechnisch versierte Zeichenspiel des Hipsters gegen die Strategie des sog. Unsichtbaren Komitees, die sich öderweise eben in Unsichtbarkeit äußert, in Stellung zu bringen. Das Komitee hatte vergangenes Jahr die Flugschrift „Der kommende Aufstand“ veröffentlicht. In diesem Manifest, gewissermaßen ein Abschiedsbrief und eine Warnung an die französische Gesellschaft mit mehr oder weniger brauchbaren Handlungsanweisungen zum Aufstand wie z.B. das Kappen der Kommunikationskanäle als eine der letzten Möglichkeiten des Widerstands, propagiert das Komitee u.a. das Leben in Landkommunen. Daher die Feststellung Lintzels, der Hipster warte mit „schöneren Strategien“ auf als einem „drögen Schweigen im Walde“. Das ist kernige Kritik, die mit den schön bunten identitätspolitischen Argumenten die vermeintlich grauen Neo-Kommunarden abstrafen möchte.
Dabei sollten wir dem drögen Schweigen im Walde genau lauschen. Hier ist nämlich die Rede von einer „Eifersucht auf die ‚Vorstädte‘“, die das Ressentiment gegen alles, was in durchkapitalisierten Gesellschaften verloren ist, sublimiere. Auch davon, dass das Leben in so genannten Problemvierteln beneidet werde, „wo noch ein bisschen gemeinschaftliches Leben fortbesteht, einige Verbindungen zwischen den Wesen, nichtstaatliche Solidaritäten“. Es geht um das authentische, unbeschädigte Leben, eben um das, wonach der Hipster auf der Suche ist.
Erst hier wird der Hipster zu einer „mega-zeitgemäßen“ (Aram Lintzel) Erscheinung. Als Symptom. Subkulturen unterlaufen längst nicht mehr die gesellschaftlichen Konditionen und Verhältnisse, sie sind von ihnen durchdrungen und umzingelt.
[...] Als rebel consumer – die Mogelpackung der landläufigen “Kapitalismuskritik” schlechthin. Alles so schön authentisch hier. (PHILIPP GOLL) hate.magazin 17. Feb. [...]
[...] Als rebel consumer – die Mogelpackung der landläufigen “Kapitalismuskritik” schlechthin. Alles so schön authentisch hier. (PHILIPP GOLL) hate.magazin 17. Feb. [...]
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