In einer neuen Episode von Mein schlaffes Fleisch braucht Bewegung! beschloss ich, in diesem Monat die neue Franzi von Almsick zu werden: An einem Samstagmorgen stand ich vor unserem miefigen Hallenbad und kaufte mir ein 10er. Ich war wie immer gut vorbereitet, hatte mir beim Discounter einen modischen Badeanzug für sechs Euro gekauft und hoffte, dass sich das Gerät nicht sofort beim ersten Kontakt mit chlorhaltigem Wasser auflösen würde. Ich hatte sogar meine Sporttasche abgestaubt und meine Sofajogginghose an. Wie Extremsportler eben so rumlaufen.Ein wenig später schwimme ich mit Krämpfen in den Füßen und grazil wie ein ertrinkender Hund in der 3-Wetter-Taft-Schneise einer überschminkten russischen alten Dame herum. Sie ist sehr bemüht, kein Wasser an ihr Gesichtsgemälde aus vierzig Fläschchen Make-Up, vier pinken Lippenstiften und drei Fläschchen Mascara zu lassen. Ich bin sehr bemüht, nicht unterzugehen. Dafür hält der schwimmende Picasso vor mir die gesamte Kosmetikindustrie am Kacken und ist für mich das eigentliche Werbegesicht von L´oreal. Ein Junge mit dem Körper eines Walfisches taucht schnaufend neben ihr aus dem Becken, prustet eine prächtige Wasserfontäne aus seiner Nase. Direkt in den Picasso. Ich applaudiere, klatsche ohne den Halt, jedoch mit meinem Kopf unter Wasser. Finde das blöd. Mit einem gewaltigen Fußplatscher macht der Prustefisch noch die sorgfältig hochgetürmte Frisur von dem Gemälde zunichte. Es kreischt. Ich schwimme schnell weg, das Make-Up im Wasser breitet sich wie ein Ölfilm nach einem Tankerunglück aus. Ich schnaufe munter weiter, ein Auge chamäleonhaft zum Boden des Schwimmbeckens gerichtet. Immer auf der Hut vor dem Walfischjungen.
Im Becken nebenan ziehen die alten Angeber vom Schwimmverein ihre Runden. Ein Kreuz, mit dem Buchstaben V zu beschreiben, während ich eher ein W oder ein buckliges B bin. Ich freue mich: Endlich neue Schubladen für mein Denken! Die Vs sind mit Marshmallowketten sorgfältig von Nieten wie den Ws abgetrennt, als könnte ich diese grazilen, elitären Angeber mit meinem Virus der Plumpheit und dem Schwimmstil einer Boje infizieren. Ich schufte und röchele. Eine Bahn für mich, acht Bahnen für das V.
Ich überlege, mich mit dem Walfischjungen zu verbünden, gemeinsam unterzutauchen. Die elitären Pisser an den Beinen nach unten zu ziehen, während der Walfischjunge von oben döppt. Am Beckenrand lungern derweil die notgeilen alten Säcke. Sie haben knappe Schwimmhosen an, die in den 70ern irgendwie noch nicht so knapp gesessen haben. Sie schwimmen eine Alibi-Bahn, um sich dann an den Beckenrand zu stellen und jungen Frauen nachzugaffen.
Ich wollte eigentlich auch wieder meinen „Gaff in den Mai“ veranstalten. Sonst ist es Tradition, jedes Jahr die verklatschten Fellpuschelhosen von der Mayday auf dem Westfalenhallenparkplatz zu beobachten und mit Erdnüssen zu füttern. Im Jahr 1997 hatte ich mich auch mal reingewagt, meine Erinnerung hält sich dank Maibowle heute noch in Grenzen. Aber man muss ja alles einmal gesehen haben, bevor man was zu sagen kann. So wie meine Exkursionen zu Konzerten der Kelly Family und als Betreuerin von Kinderindianerferien inklusive Verkleidung. Kellnern auf Gabberpartys und Loveparade Afterhours. Was man unbedingt machen sollte, wenn man keine Affinität zu Bass oder chemischen Drogen hat.
Unter dem diesjährigen Motto Made in Germany hoffte ich, proppere Gabberfrauen zu sehen, die ihre Kartoffelstampfer in einer leicht spannenden Pit Bull Hose schwingen und sich, wild mit dem Zungepiercing rumspielend, die vorderen Zahnreihen ruinieren würden.
Das Problem lag bei „Ich wollte“. Ich wollte vieles an diesem Tag, lag aber weggeschossen mit einer Nebenhöhlenentzündung und meinem Speckkater im Bett. Ich haderte mit mir, was ich auf der Mayday mit meinen zwanzig Schachteln Medikamenten hätte verdienen können. Ich guckte eine Folge Jericho, die sich allerdings nur als schlechte Alternative für die Sendepause von The Walking Dead entpuppte. Ich war in Nörgellaune, bemitleidete mich selbst und wartete darauf, dass mein Kopf explodierte. Irgendwann schlief ich ein, mit dem Gedanken: Nächste Woche gehe ich wieder schwimmen, komme was wolle!
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