Mein Highlight sollte im Juni das Roxette Konzert in Köln werden. Ich lief seit Wochen mit der völlig überteuerten Eintrittskarte in meinen Wurstgriffelchen auf und ab und nervte meine virtuellen Freunde mit Roxette Videos. Als endlich der Tag aller Tage gekommen war, verriet mir ein Blick auf die Karte, dass ich auf ein Open Air Konzert gehen würde. Wurde nicht grade eine Unwetterwarnung im altmodischen Videotext veröffentlicht?

Ich überstehe die Zugfahrt mit drei Granaten Dosenprosecco/ Semitrocken und falle „She´s got the Look! Nänänääähhh!“ gröhlend in den Köln-Deutzer Bahnhof ein. Nur wenig später stehe ich mit meinem pinken Regenschirmchen, welches schon in einem vollbesetzten Fußballstadion für Hass und Tobsuchtsanfälle bei meinen Mitmenschen gesorgt hatte, in einem ZDF-Fernsehgartenabklatsch und sehe in weiter Ferne zwei kleine Gestalten. Sie rufen „Helloooo äähhh Berli.. Coloooogneee!“ Ich rufe: “Hallo Marie! Hier bin ich!“ und winke wild mit meinem Schirm und einer weiteren Dose Prosecco, steche dabei meinen Mitroxettelern je ein Auge aus. Marie hört mich nicht, diese ignorante Gans. Dabei habe ich noch ein altes Bravoposter zu Hause.

Ich beschließe, auf dem Gipfel meines Proseccorausches, die Toiletten aufzusuchen, nehme aber die falsche Ausfahrt und stehe seltsamerweise mit Popcorn, Käsenachos und einem Humpen Bier wieder in der Menge und preise den Umstehenden großzügig mein Essen an.  Ich erfreue mich an einem wirklich possierlichen Pärchen, das extra für Per und Marie seine Pärchen-Crocs angezogen hat. Mit passenden Pärchen-Socken. Süß! Mein Herzblatt weigert sich ja beständig, uns einen Pärchen-Ballonseidenanzug für unsere gemeinsamen Ausflüge in das nahegelegene Einkaufscenter zu kaufen. Diesen erreicht dafür zeitgleich eine SMS mit dem Inhalt: Deine Freundin ist völlig betrunken und extrem peinlich. Peinlich fand ich aber andere Sachen: Der miese Sound,  den selbst mein Heimatsender center.tv bei seinen Reportagen über Schrebergartenfeste besser hinbekommt. Oder die Merchpreise. Ich konnte mich einfach nicht zwischen einem Roxettepullover zu 50,00 € und einem Schlüsselbändchen oder drei Badges zu 10 € entscheiden.  Als nächstes besuche ich wohl doch lieber ein DJ Bobo Konzert.

Ich  war außerdem auf einem Nachttrödelmarkt. Ich liebe Trödelmärkte. Meistens bin ich gut vorbereitet mit einer Abstreichliste der fehlenden Stephen King Bücher in meiner Sammlung und zwei Jurtebeuteln. Und einem Kugelschreiber und einem Brustbeutel voller Münzgeld. Bloß Nichts dem Zufall überlassen! Nach dem Erwerb eines Kaffeefilterhalters aus Holz und einer Frank Zander Platte mit Hits wie Rosita und Oh Susi, giert es mir nach meiner obligatorische Veranstaltungsbratwurst.
Auch wenn ich dem Fleisch sonst abgeschworen habe – die Bratwurst muss sein. Ich nenne es Veranstaltungsvegetarier. Außerdem stehen immer so nette Leute mit einem in der Schlange. So wie heute eben. Während ich mein Kleingeld in den Fäustchen warm schwitze, hat sich eine Gruppe nörgeldeutscher Asis hinter mir zusammengebraut. Ich höre nur „2,60 € für eine Bratwurst. Beim Trödel aufm Real kost zweifuffzich!“ Eine  Whiskystimme kräht: „Aber dafüä drei Öro Eintritt! Und vieä Öro Parken.“ Ich drehe mich um, das riecht nach Revolte. Drei völlig verfettete Vollhonks, die Bäuche zusammen dem Umfang des Äquators gleich,  die strammen Füßchen in die unvermeidlichen Crocs gezwängt, wurden vom Fettgeruch magisch angezogen und können ihren Geifer kaum noch zurückhalten. Das Muttertier hat in der unteren Kauleiste nur noch zwei Zahnstummel, mit denen sie eine saftige Bratwurst kleinraspeln möchte. Haare sprießen aus einem Muttermal am Kinn. Pfui. Es wird weitergenörgelt, der Bratwurstgrillmann kommentiert: „Wenn man es nicht kann, soll mans bleiben lassen! Dat kann ich ja besser!“  Es wird zyklisch weitergenörgelt. „Drei Euro Eintritt und so wenig Stände! Wo ist die versprochene Livemusik? Da ist doch Musik, aber die ist zu leise (Die Plunze meint das Radio der Bierwagenkellnerinnen). Wir haben drei Euro Eintritt pro Person gezahlt. Vier Euro Parkgebühr und jetzt so wenig Stände!“ Mir platzt der Kragen: „Haben Sie in ihrem verkackten kleinbürgerlichen Leben  eigentlich noch was anderes zu tun als Senfgläser als Trinkgläser zu benutzen, sich zu beschweren und rumzunörgeln?!?“ Die Stimmung kippt. Die Äquatormänner verteidigen vehement ihr Raspelzahnweibchen, dieses versucht mit ihren Barttentakeln nach mir zu greifen. Wenigstens ziehen sie pöbelnd ab, als bekannt wird, dass die Bratwurstbrötchen grade alle sind. Weil für zweisechzig is dat zu teuer!

Auf dem Trödel treffe ich auch als Kontrastprogramm auf meine geliebte Klonarmee, die  Hipstermädels. Den Dutt stundenlang aufgezuppelt, bis er ganz casual wirkt, watscheln sie selbstgefällig in ihren Sandalen auf der Jagd nach einem neuen Sakko oder einer abgeschnittenen Jeanshotpant  zwischen den Ständen herum und knipsen alles mit ihrer alten Fotokamera. Dann erzählen sie sich flüsternd von ihrem gestrigen Ausflug zu einer Vernissage von einer völlig unbekannten Künstlerin, die so unbekannt ist, dass sie sich selber nicht im Spiegel erkennt. Die Vintagehandtasche haben sie fest zwischen selbstgeklöppeltem Strickleibchen und Ellenbeuge festgeklemmt, damit man sich ganz wie die kleine Madame aus Paris oder meinetwegen auch New York fühlen kann.

‎Um meinen gestressten Nerven und meinem stakatto-zuckenden Augenlid eine Auszeit zu gönnen, habe ich mir mit Bewertungen aus den hiesigen Bewertungsportalen auch meinen nächsten Urlaub schmackhaft gemacht. Ich stolperte über die Hotelbewertung: “Bar/Restaurant wirkte wie das verlängerte Wohnzimmer des Rezeptionspersonals in dem es sich die Großfamilie in Jogginganzügen gemütlich macht.” Ich musste direkt ein Zimmer buchen. Der Gedanke, zwischen joggingbepeitschten und tätowierten Engländern meinen Urlaub zu verbringen, weckte wohlige Gefühle in mir. Endlich würde ich mal nicht die verbrannteste Käseleiche am Strand sein oder gefragt werden, ob ich nicht ein wenig Sonne herüberreflektieren könne. Vor dem Urlaub wird allerdings noch ein wenig gearbeitet:

Am 08.07.2011 lese ich in der wunderschönen Heimat Hochfeld in Duisburg aus meinem Buch . Am 30.07.2011 turne ich dann auf der Sounds & Poetry Stage beim Juicy Beats Festival in Dortmund herum.

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Tagged: DJ Bobo, Dosenprosecco, , Gegen die Gesamtscheiße, Hipstermädels, Juicy Beats, King, Open Air, Roxette, Trödel, Videotext

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