Die Wärme lockte wieder die Verrückten aus ihren Löchern, so auch mich. An einem sonnigen Tag stand ich mit meiner Freundin und zahlreichen Hutschachteln an der Bushaltestelle. Wir hatten uns den ganzen Abend mit den Vengaboys aufgepeitscht und warteten nun auf den Venga-Bus, der uns nach Ibiza bringen würde.  Nach knapp fünf Minuten kam ein alter Mann auf einem Drahtesel angefahren. Er klingelte stakkato und rief: „Ahhhhh Urlaub, da habt ihr Zeit zum Lesen!“ Er wühlte ein paar kopierte Zettel aus seinem Jutebeutel, drückte sie uns in die Hand und fuhr schnell davon. Es stellte sich heraus: Er ist der Altruist, wie er sich ein wenig selbstherrlich und mit der klaren Selbstwahrnehmung eines trüben Fischteichs nennt und er hatte natürlich etwas festgestellt.Ich nehme unterwegs eigentlich nie Zettel an. Meistens will jemand an meine spärlichen Moneten oder möchte mir seine Ansichten aufdrücken. Wie die verrückte Frau, die immer „Das Wichtigste!“ durch die Fußgängerzonen des Ruhrgebiets gekräht hat und ein Schild mit der Aufschrift “JESUS RETTET!”  vor sich her trug. Und die mir ihre Zettelchen andrehen wollte, weil sie mich für Luzifer persönlich hielt. In ihren Manifesten war beschrieben, wie ein Peace-Symbol zum Abbild Satans wird, wenn man bestimmte Balken umbaut, wegschneidet und wieder gradebiegt. Basteln mit der wirren Jesusfrau.

Ich studierte also das mit zittriger Herrenhandschrift auf kariertem Papier geschmierte Manifest. Alle Politiker sind Türkenfreunde. Aha. Und alle sind egoistisch. Doppelaha. Es endete mit den Worten “SCHULDIG! SCHULDIG! SCHULDIG!”.

Ich stellte mir vor, wie der alte Mann unter seinem verlotterten Parka, ein am Bauch etwas spannendes Superheldenkostüm trägt. Ein großes A auf seiner Brust. Wenn es nicht für Altruist stehen würde, dann zumindest für Arschloch.

Am Flughafen angekommen, machten wir Bekanntschaft mit einem eitlen Gecken, dem neuen Stern eines mir unbekannten Modeimperiums. Er faselte lautstark mit französischem Akzent in sein Handy, verhandelte mit seinen Geschäftspartnern, um im nächsten Telefonat mit tiefstem Ruhrpottslang über seine Uschi abzuziehen. Und weil ich gerne lausche, kann ich euch sagen, dass Pailettenhosen von Naf Naf der neue Trend werden, weil der Geck nämlich grade mit China telefoniert hat.

Ich flog dann knapp 1700 km nach Ibiza, um am Buffett auf zwei Hipster zu treffen. Ihr Teletubbiedutt tauchte plötzlich hinter den Wassermelonen auf, auch bei 30° C Außentemperatur waren Lederstiefelchen unabdingbar. Als Frau von Welt war man von der All Inclusive-Weinplörre aus dem Tetrapak angetrunken, gackerte wirres, aber elitäres Zeug und brachte Kellner Tolo zur Verzweiflung. Der Arme sah aus wie die übergewichtige Version von Louis de Funès außerirdischem Kohlkopf, nur leider ohne Kostüm. Was wäre es für ein Schauspiel gewesen, wenn er den Hipstern die Weinzufuhr gekappt und „Lülülülü lü lülülü!“ gebrüllt hätte. Und vorher noch eine Runde Backpfeifen serviert hätte. Hätte hätte Fahrradkette – die Kundenzufriedenheit machte meinen Träumen wie so oft einen Strich durch die Rechnung.

In der ersten Nacht waren wir die einzigen Bewohner auf der Hoteletage. Etwas gruselig war es, weil man aus Kostengründen die Flurbeleuchtung noch nicht angestellt hatte. Dafür standen alle anderen Zimmertüren offen, was uns zu einer Duschhauben-Plündertour anregte. Nachdem ich mir am Pool einen Sonnenstich geholt hatte, überredete ich meine Freundin zu einem Ausflug auf den nahegelegenen Hippiemarkt. Da standen sie in einem Ambiente, das mich an die Technohalle meiner Dorfdisco erinnerte. Neontücher, seltsame Skulpturen, zuckende Menschen. Ich war kurz in der Versuchung, mir ein schönes Armband zu kaufen, als ich hochblickte und sah, dass eine ungewaschene Frau die Fäden um ihren hornhäutigen Zeh geschlungen hatte und munter herumflocht. Ein Armband mit Hippiefußkäse. Na lecker. Ein verwirrter Mann sprang mit Pupillen von der Größe eines Untertellers hinter seinem Stand hervor und quakte: „Wanna buy a purse? All in a DIFFERENT  Colour!“ Wollte der mich veräppeln? Die waren alle braun! Wir beschlossen, zurück zum Hotel zu fahren. Das war nicht unsere Welt. Mein Hass auf Hippies wuchs nicht minder, als ein mit Peace-/Satanssymbolen bemalter, uralter Citroen vor uns herumschlich. Irgendwie hatte die Jesus-Rettet-Frau ja doch recht gehabt, mit ihrer Hippiethese.

Am letzten Tag fiel eine Horde Schwaben wie ein Heuschreckenschwarm in die Hotelanlage ein. Sie waren der Grund, warum unsere Etage bisher völlig verwaist gewesen war: Sie hatten alles gemietet. Flugs wurden Handtücher und „Des Heisle isch behogga!“ Transpis aus den Fenstern gehängt. Das Alphaweibchen der Schwabenherde röhrte über die Balkonbrüstung, der Schwarm machte sich wie ferngesteuert auf in den Essenssaal und fraß die Hipster, Tolo und meine Crema Cantalona auf. Es war an der Zeit, abzureisen.

 

Category: Magazin, Relevanz

Tagged: Altruist, Ibiza, Jesusfrau, Naf Naf, Superheldenkostüm, Teletubbiedutt, Vengaboys

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One Response

  1. says:

    Ein Poem.

    Das Foto: von Play den Bossa nach links geschossen.

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