Die Mediengruppe Telekommander hat ihr letztes Album veröffentlicht. Ihr damit drittes Album heißt “Die Elite der Nächstenliebe”. Deswegen trafen wir sie zum Interview. Warum wird sich die Band, die immer auch wegen ihrer “kritischen” Texte geschätzt wurde, nun nach zehn Jahren auflösen?

Gerald Mandl: Die Routine von Albumproduktion, Tour, Pause, Albumproduktion hat keine Zeit für andere Projekte gelassen. Wir wollten mal etwas Neues.

Florian Zwietnig: Du hakst ja gar nicht nach!

„Auf neue Projekte konzentrieren“, das ist doch so die Standardantwort. Im Grunde genommen geht es euch um eure Lebensentwürfe, um private Entscheidungen. Da möchte ich überhaupt nicht mehr drüber wissen.

Mandl: Eben.

Das Politische ist doch nicht privat, oder wie war das? Seid ihr eine politische Band?

Mandl: Wir sehen uns schon als kritische Band. Das Parolenhafte in unseren Texten kommt aber bei uns eher aus dem Sloganizing, also aus der Werbung, unmittelbar politisch ist das also eher nur am Rande. Aber natürlich haben wir eine gewisse politische Grundhaltung.

Einigen wir uns auf „kritisch“.

Zwietnig: Wir sehen uns eher als selbstreflexive Band und sind sozusagen teilnehmende Beobachter.

HIER KOMMEN DIE BERUFSJUGENDLICHEN MIT EVENT-CHARAKTER / INCORPORATE IDENTITIES / DIGITAL NATIVES / DIE DIE KLAVIATUR DER SELBSTVERMARKTUNG BEHERRSCHEN / DER AUFSTAND DER ANSTÄNDIGEN / DIE AUCH MAL DEN GÜRTEL ENGER SCHNALLEN / MIT DEM KONZEPT DER AUSGESTRECKTEN HAND / (aus „Auf der sicheren Seite“)

Hättet ihr für ein Foto-Shooting eigentlich so was gemacht, wie gegen einen Benz treten oder Pfandflaschen aus dem Mülleimer zu ziehen, wenn ich euch danach gefragt hätte?

Beide: Nein.

Mandl: Warum auch?

Ist es euch oft passiert, dass ihr als Sprachrohrband oder Quoten-Polit-Band befragt werdet?

Mandl: Schon. Wir haben auch Anfragen von politischen Parteien  bekommen, sollten auf ihren Sommerfesten spielen, aber wir wollten uns nicht vereinahmen lassen. Bei uns bleiben immer, auch in den Texten, gewisse Interpretationsspielräume.

Worüber empört ihr euch gerade?

Mandl: Eine Zeile aus unserem aktuellen Album ist: „Das ist dein Moment, der Zeitgeist der Beliebigkeit“. Das Verwaschene, Verschwommene der Meinungen. Man kann sich aus allem raus ziehen.

Zwietnig: Man kann sich auch im Sekundentakt umorientieren.

Das klingt nach Resignation.

Mandl: In unserer Musik geht es um Zeitgeistphänomene, die wir verarbeiten. Wir empfinden die Situation eben als sehr verfahren. Medien haben sich verändert, die Menschen müssen die Dimensionen von Blogs und Social Media erstmal einschätzen, man sieht ansatzweise die Möglichkeiten, das revolutionäre Potential des Internets, etwa wenn man nach Nordafrika blickt. Deswegen ist da auch etwas Kapitulation spürbar, obwohl es sich für uns nicht so anfühlt.

WIR WERDEN DRAUFHALTEN / SO LANG ES SICH NOCH BEWEGT / JEDER KANN MITMACHEN / UND DER GRUNDPREIS IST FREI / GEWINNBRINGENDE MOMENTE / UND DIE KATASTROPHE KOMMT VORBEI / EIN VIRUS IST IM UMLAUF / DER SABOTAGE-AKT UM’S ECK / (aus „Draufhalten“)

Wie geht ihr damit um, dass man mit kritischer Musik nicht reich wird?

Zwietnig: Man hört eben auf.

Mandl: (lacht)

Zwietnig: Dass es überhaupt so viele Leute interessiert hat, war für uns schon ein Flash. Wir haben ja nie erwartet, dass es die große Botschaft für die Massen wird.

Mandl: Und je breiter es wurde, desto problematischer wurde es für uns. Bei Konzerten. Wenn dort Leute stehen, bei denen du nur denkst: „Ich will nicht, dass du da stehst“.

Muss Pop eigentlich noch Botschaften vermitteln? Vielleicht wurde das ja von den sozialen Netzwerken übernommen?

Mandl: Das ist eine Interessensfrage.

Zwietnig: Es wäre ja eine wahnsinnige Reduktion auf einen Bereich. Musik ist multifunktional. Aber in Zeiten, in denen eine Stimme gesucht wird, so wie es derzeit der Fall ist, wird auch eine klare Stimme im Pop interessanter und gefragter.

Glaubt ihr, dass die Hip Hop Künstler in Ägypten irgendeinen erwähnenswerten Einfluss auf die Aufstände hatten?

Mandl: Wir würden das als Soundtrack beschreiben. Wenn es gesellschaftliche Phänomene gibt, dann gibt es auch einen Soundtrack dazu. Das bedingt sich.

Hat Musik Macht?

Mandl: Auf jeden Fall.

Zwietnig: Das ist eben die Frage.

Mandl: Natürlich, es ist doch auch so, dass ein Buch deine Gedanken verändern, dich zu neuen Diskursen führen kann

ICH BIN DER TALK-OF-THE-TOWN IN DER SZENE-HIPPSTER-BAR / UND HAB DAS ALLES NUR KOPIERT VON DER STRASSE LETZTES JAHR / ICH ZEIG DIR GLEICH MEIN NON PLUS ULTRA (aus „Wer bist du“)

Was muss ein Stück Musik ausmachen, damit es als sozialkritisch gilt?

Mandl: Es muss eine Gegenposition zum Alltäglichen haben.

Zwietnig: Es muss eine Haltung vermitteln, das kann es aber auch ohne Text schaffen.

Macht ihr Ansagen auf den Konzerten zwischen den Stücken?

Zwietnig: Inzwischen weniger. Meist war das aber eher was Unterhaltsames.

Mandl: Wir haben ja die Musik als Ausdrucksform gewählt.

SCHAU GENAU NEBEN WEM DU SITZT / UND NIMM DICH IN ACHT WOHIN DU TRITTST / PASS AUF MIT WEM DU REDEST / ÜBERALL / NIMM DICH IN ACHT VOR IHREN FREUNDLICHEN GESICHTERN / (Aus „Überzahl“)

Muss man als Musiker viele Ideale aufgeben?

Mandl: Natürlich, die eigene und die Fremdwahrnehmung klaffen total auseinander. Wenn man sich etwa bei YouTube Videos anschaut, die zu unseren Songs gemacht wurden, werden dort teilweise Bilder geziegt, die wir niemals so gewählt hätten. Zu platt, zu plakativ, die Ironie zerstörend.

Habt ihr eine Idee, warum es in Deutschland so wenig als politisch geltende Musiker gibt?

Zwietnig: Hast du das Gefühl, dass es jemals mehr waren?

Als es noch Liedermacher gab oder die noch ein breites Publikum ansprachen.

Mandl: Ich glaube, die Bands mit politischen Ansprüchen bleiben in ihren Nischen. Die sind nicht im Mainstream unterwegs. Es ist aber nicht weniger geworden. Man muss eben viel mehr nach bestimmten Musikern suchen als früher.

Wenn es in Deutschland einen Aufstand gäbe, wenn in der Friedrichstraße eine Zeltstadt stehen würde, würde dann Musik laufen?

Zwietnig: Da würde Freiheit von Marius Müller-Westernhagen laufen.

Siehste, und das ist von 1990. Keine aktuelle Single.

Zwietnig: Ja, aber das ist, worauf sich die Masse einigen kann. Und weil alle Nischen-Musik hören, einigen sie sich auf die letzte kollektive Erinnerung. Vielleicht wird es sogar so schlimm und es läuft Rainhard Mey.

Mandl: Ich denk mal, es würden Wir sind Helden laufen. „Denkmal“ zum Beispiel.

Dann wäre es eine friedliche Revolution.

Zwietnig: Natürlich.

Mandl: Eine sanfte Revolution.

Vielleicht geht es uns einfach nicht schlecht genug.

Zwietnig: Aber in den 1990ern war es ja nicht schlechter.

Da war zumindest noch Rostock-Lichtenhagen noch nicht so in Vergessenheit geraten.

Zwietnig: Da gab es aber auch internationale Phänomene wie Rage Against The Mashine. Bands, die globale und klare Positionen eingenommen haben.

Dabei war doch Kapitalismuskritik nie so ein Mainstream-Thema wie heute.

Zwietnig: Die Empörung findet ja auch auf eine ganz verworrene Art statt. „Der Zeitgeist der Beliebigkeit“. Menschen machen mit dem Geld anderer Menschen was sie wollen. Und keiner empört sich immanent. Keiner ruft: „Sagt mal spinnt ihr?“. Politiker waren sich unsicher, man selbst dachte, naja, die wissen halt auch nicht, wie sie das Finanzsystem retten sollen. Und plötzlich werden die Umstände immer schwerer, schleichend schlechter. Und welche Stimme soll das vereinen? Wie gesagt, die Musik ist der Soundtrack, aber wenn der Film noch nicht so klar ist, wenn der noch nicht gedreht wurde, noch nicht im Kino läuft, wo soll dann der Soundtrack zu hören sein?

Was kommt zuerst, das Drehbuch oder der Soundtrack.

Zwietnig: Es ist ja nicht so, dass die Leute wie zu den Montagsdemos gehen und ein klar formuliertes Ziel haben.

Hat eure aktuelle Platte ein Hauptthema?

Mandl: Nein, es sind Songs aus dem letzten Jahr und der Titel hält es auch wie bei den anderen Alben ein wenig zusammen. Die Elite der Nächstenliebe.

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One Response

  1. toni says:

    schade – aber wenn soll aufhören, wenn’s am schönsten ist…

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