Von Frau Schweinemett

Wie jedes Jahr wurde nicht nur die Bahn wieder ganz heimtückisch vom Herbst überrascht, sondern auch meinereiner. Herbst! Endlich rutscht man wieder auf Hundescheiße aus, die tückisch unter dem schönen runtergefallenen Herbstlaub lauert und kann sich dank des morgendlichen Nebels vorstellen, dass die Welt endlich untergegangen ist.
Alles ist dunkel und diesig, irgendwie beängstigend!  Da wird es bei Horst und Hildegard Zeit, sich bei ihren herbstlichen Ausflügen sicherheitshalber wieder ganz in Reflektorenbänder zu wickeln, für die deutsche Kleinfamilie wurde Jack Wolfskin dafür offiziell als neue Herbstuniform abgesegnet.

Und natürlich wird es wieder Zeit, ein wenig Angst zu schüren und den guten alten Kofferbomber aus der Hutschachtel zu ziehen. Während ich auf der Arbeit meine Lieblingsbeschäftigung „So tun, als ob ich arbeite“ weiter zur Perfektion treibe, stolpere ich über eine (natürlich sehr repräsentative) Onlineumfrage einer Tageszeitung. 14 % der Dortmunder gehen aus Angst, dass ihnen das neckische Glühweinstiefelchen aus der Hand gesprengt werden könnte, nicht auf den Weihnachtsmarkt. Schade aber auch. 12% der Leute meiden volle Straßen und Bahnhöfe, der Flaschensammler mit dem Hackenporsche könnte ja auch mehr als die Jagd auf 8 Cent im Schilde führen oder ein Kofferwerfer könnte auf der Autobahnbrücke stehen… Nicht auszudenken.

Herrliche Zeiten stehen uns also bevor. Keine betrunkenen Idioten, die Hirschgeweihe und LED-Weihnachtsmannmützen aufhaben und wie ein Domspeiher Glühwein spucken. Und vor allem keine Schleicher auf der Straße, dank denen ich ständig zu spät komme.
Ich musste in den letzten Tagen mehrmals meinen Tollwutschaum von Windschutzscheibe und Armaturen wischen, weil vor mir ein kleiner Micra oder ein Twingo mit einer Sicherheitsgeschwindigkeit von 15 km die Straße entlang schlich. Der Wagen ist in nahezu 100% (um jetzt wieder die Kurve zur Statistik zu bekommen) voll mit Aufklebern von allen Campingplätzen, die man seit 1980 besucht hat und kessen Sprüchen wie „Du brauchst nicht hupen, ich fahre immer so!“

Das Ding vor mir hat am Rückspiegel einen kleinen Stoffbären hängen, der lustig hin und her baumelt. An der Rückscheibe klebt eine Diddlmaus, auf der Armatur fristet eine Armee von Schutzengeln ihr trauriges Dasein. Im Herbst sind die Straßen ja glitschig und da muss man eine Vollbremsung hinlegen, weil die Ampel ja irgendwann rot wird. Die Schutzengel wackeln gütig mit ihren Holzflügeln – und lassen mich wütend grollend ins Lenkrad beißen. Warum müssen manche Menschen so verdammt klischeehaft sein?

Category: Magazin

Tagged: Angst, Autoaufkleber, Diddl, , Glühwein, Herbst, Kofferbomber, Schutzengel, Weihnachtsmarkt

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One Response

  1. Lena says:

    wunderschön mit punktgenauer landung, vielen dank für diese warmen hassworte, es hilft.

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